Hier werden sie beantwortet. Diese werden laufend mit Fragen ergänzt, die aus der Praxis stammen.
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FAQ zur Stiftung Bündner Standard
Warum heisst der Bündner Standard Bündner Standard
Die Institutionsleitungen der Bündner Kinder- und Jugendinstitutionen machten sich Gedanken, wie sie professionell und strukturiert bei allfälligen Grenzverletzungen in der Organisation reagieren könnten. Ziel war, ein standardisiertes Vorgehen zu entwickeln, um bei herausfordernden Situationen passend reagieren zu können. Standardisiertes Vorgehen war ihnen wichtig, weil dies in Stresssituationen hilfreich ist. Darum „Standard“. Und warum „Bündner“? Damit wollten die Entwickler:innen und die Institutionsleitenden zeigen, dass sich alle Bündner Institutionen für Kinder und Jugendliche gemeinsam entschieden haben, konsequent den Standard einzuhalten.
Später, als sich der Bündner Standard über die Kantons- und Landesgrenzen verbreitete, verzichteten die Entwickler:innen auf einen Wechsel der Bezeichnung – unter anderem um die Wiedererkennbarkeit nicht zu gefährden. Übrigens sind die Entwickler:innen (=Kernteam Bündner Standard) immer noch dieselben Personen wie zu Beginn im 2010.
Wieso ist der Bündner Standard nicht mehr Teil vom Bündner Spital- und Heimverband?
Nachdem sich die Verantwortlichen des Bündner Standards entschieden haben, nebst der ursprünglichen Zielgruppe Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigung auch andere Zielgruppen ansprechen zu wollen, passten das Instrument und die Aktivitäten nicht mehr zum Auftrag des Bündner Spital- und Heimverbandes. In konstruktiven Gesprächen wurde eine Loslösung beschlossen. Als Folgeschritt entstand die „Stiftung Bündner Standard“ als nicht gewinnorientierte Rechtsform. Um die wichtige Verbundenheit mit dem Bündner Spital- und Heimverband aufrechtzuerhalten, hat dieser Verband fix einen Sitz im Stiftungsrat Bündner Standard.
Warum werden für den Bündner Standard Nutzungsgebühren erhoben?
Die Entwicklung vom „starren“ Ordner der ersten beiden Auflagen des Bündner Standards zu einer online angebotenen weiterentwickelten Variante kostete bereits sehr viel Geld, welches durch Stifter:innen und Spender:innen mehr oder weniger gedeckt werden konnten. Die Weiterentwicklung der Online-Plattform mit zusätzlichen Tools, Angeboten usw. wird weitere Kosten auslösen. Zudem muss die Stiftung Bündner Standard von „Hobby- und Freizeit“ -Idealist:innen in eine professionell aufgestellte Stiftung überführt werden.
Wofür werden die Einnahmen verwendet?
Die Stiftung Bündner Standard ist nicht gewinnorientiert. Ziel der Stiftung ist die Verbreitung, damit das Instrument von möglichst vielen Interessierten genutzt werden kann. Mit den Einnahmen werden die Weiterentwicklung finanziert und die laufenden Kosten gedeckt. Die Idee ist, sukzessive neue Informationen, Tools, Angebote für die Nutzenden auf der Webseite bereitzustellen.
Warum wurde ein zielgruppenneutraler Bündner Standard entwickelt?
Der ursprüngliche Bündner Standard wurde für Organisationen für Kinder- und Jugendliche entwickelt. Die zunehmenden Anfragen für ein entsprechendes Konzept für andere Zielgruppen führten dazu, dass das Entwicklungsteam sich mit der Frage beschäftigte, wie dieser Bedarf am besten gedeckt werden könnte. Die zielgruppenneutrale Version ist so aufgebaut und verfasst, dass sie grundsätzlich für alle Anwendungsgruppen passt. Zielgruppenspezifikationen zu einzelnen Kernelementen, zu Formularen und Dokumenten ergänzen den zielgruppenneutralen Bündner Standard so, dass er für die entsprechende Zielgruppe noch einfacher anwendbar ist.
FAQ zur Anwendung
Wer ist für die Einhaltung des neuen Datenschutzgesetzes verantwortlich?
Bei der Anwendung des Bündner Standards stellen sich relevante rechtliche Fragen. Wer hat Einblick in die Erfassungsformulare? Welche Daten dürfen an wen weitergegeben werden? Unter welchen Bedingungen? Gibt es Unterschiede zwischen öffentlichen Organisationen (z.B. Regelschule) und privatrechtlich geführten Organisationen (z.B. von Stiftungen und Vereinen geführten Institutionen)? Aufgrund des neuen Datenschutzgesetzes müssen diese und weitere Fragen geklärt werden. Die Verantwortung für die Einhaltung des neuen Datenschutzgesetzes liegt bei den Anwender:innen des Bündner Standards. Die Stiftung Bündner Standard ist bestrebt, baldmöglichst Aussagen zur Verfügung zu stellen. Wir sind daran, mit Fachpersonen zu rechtlichen Fragen unterstützende Informationen zu erarbeiten.
Warum braucht es für den Umgang mit Grenzverletzungen ein spezielles Konzept?
Grenzverletzende Ereignisse sind für alle Betroffenen angespannte, emotions- und spannungsgeladene Situationen. Klares Denken und Handeln ist dadurch während und nach dem Ereignis gefährdet. Das Konzept hilft durch die Abläufe und die Definition der Rollen die notwendige Handlungssicherheit zu erhalten und zu behalten. Nach dem Ereignis ist eine sorgsame Aufarbeitung mit einer professionellen Reflexion wichtig. Lernen aus dem Geschehenen und allfällige Korrekturen in der Prävention gegen und im Umgang mit Grenzverletzungen sind für die Qualitätsentwicklung der Organisation von grosser Bedeutung.
Ist der Bündner Standard nicht ein starres und statisches Instrument welches dem komplexen Umgang mit Grenzverletzungen nicht gerecht wird?
Die Vielfalt an grenzverletzenden Ereignissen ist gross. Die Einstufung in eine der vier Stufen bewirkt eine Auseinandersetzung mit dem Ereignis und löst Gespräche unter den Personen in Verantwortung aus. Dies bringt positive Effekte wie Hinschauen statt Wegschauen, Kultur der Besprechbarkeit, Handlungssicherheit nach Ereignissen usw. Der Bündner Standard gibt einen Rahmen vor, die Organisation passt ihn den eigenen Bedürfnissen und Notwendigkeiten an.
Was bringt uns als Organisation der Bündner Standard?
In erster Linie erhält die Organisation konzeptionelle Grundlagen für einen strukturierten Umgang mit grenzverletzenden Ereignissen. Alle Beteiligten wissen, was zu tun ist, wenn etwas passiert. Durch die beschriebenen Massnahmen und vor allem durch konsequentes Anwenden wirkt das Konzept zudem präventiv.
Der Bündner Standard fördert das bewusste Hinschauen, die Sensibilität, die Sicherheit und die Klarheit in Bezug auf grenzverletzendes Verhalten. Regelmässiger Austausch zur Thematik in Teams führt zu einem erhöhten Bewusstsein und verfeinert das pädagogische und agogische Handeln im Alltag.
Gibt der Bündner Standard nicht falsche Sicherheit?
Wann ist die Sicherheit falsch? Solange der Bündner Standard in der Prävention und im Umgang „richtige“ Sicherheit bietet, ist eines der zahlreichen Ziele erreicht. „Richtig“ heisst, das Konzept so im Alltag integriert zu haben, dass alle Beteiligten wissen, was zu tun ist, worauf zu achten ist usw. Dies wird erreicht, wenn mit grenzverletzenden Ereignisse entsprechend den Organisationskonzepten und dem Bündner Standard umgegangen wird, die präventiven Massnahmen eingehalten werden usw. „Falsche“ Sicherheit wäre, wenn der Bündner Standard die Grundhaltungen und die Vorgaben nicht mehr gelebt würden und die Meinung bestünde, man habe für den Fall der Fälle entsprechende Papiere.
Wird eine solches Konzept nicht ein weiteres geduldiges Papier, das in der konkreten Alltagsarbeit wenig bringt?
Jedes Konzept kann als geduldiges Papier in den Schubladen verschwinden – auch der Bündner Standard. Die Erfahrung von über zehn Jahren in verschiedensten Organisationen hat gezeigt, dass der Bündner Standard in der Alltagsarbeit im Umgang mit Grenzverletzungen und in der Prävention gegen grenzverletzendes Verhalten ein sehr hilfreiches, in der Anwendung einfaches und insgesamt wirksames Instrument ist. Die Rückmeldungen der Personen in Verantwortung auf verschiedenen Hierarchiestufen von operativen und strategischen Führungspersonen sind durchwegs positiv. Wird der Bündner Standard sorgsam und unter Einbezug aller Beteiligten implementiert und danach durch konsequentes Anwenden am Leben erhalten, ist er – wiederum gemäss Einschätzung von Nutzenden – ein sehr hilfreiches Instrument.
Wie wird gewährleistet, dass der Standard in der Organisation richtig angewendet wird?
Es ist sinnvoll, dass die Verantwortlichen in der Organisation sorgsam darauf achten und einfordern, dass der Bündner Standard konsequent von allen angewendet wird. Auf allen Stufen der Verantwortung soll regelmässig reflektiert werden, wie verlässlich bei grenzverletzendem Verhalten die Vorgaben des Bündner Standards eingehalten werden. Durch Selbst- oder Fremdüberprüfung (siehe entsprechendes Dokument) kann evaluiert werden, wo die Anwendung klappt und wo es gegebenenfalls Informations- oder Schulungsbedarf gibt.
Die Praxis zeigt, dass die Einstufung vor allem an der Grenze von Stufe 2 zu 3 schwierig ist. Wie kann man damit umgehen?
Die Erfahrungen und Rückmeldungen aus der Praxis zeigen, dass bei Unsicherheit ein Ereignis eher in die höhere Stufe zugeordnet wird. Dies, obwohl der Aufwand grösser ist (Erfassungsformular ausfüllen, Besprechungen in organisiertem Rahmen usw.). Die Personen in Verantwortung signalisieren damit auch, dass sie mit ihren Herausforderungen nicht allein gelassen werden möchten, dass weitere Fachpersonen einbezogen werden sollen, dass sie – meistens zurecht – unsicher sind und Unterstützung wünschen und dass sie mit dem auf die Meldung folgenden Vorgehen professionell begleitet werden.
In Einzelfällen kommt es vor, dass tiefer eingestuft wird, um den Mehraufwand zu vermeiden oder auch um das Ganze nicht «unnötig aufzubauschen».
Die Empfehlungen des Bündner Standards: Im Zweifelsfall höher einstufen und damit ein vertieftes Reflektieren ermöglichen und auf jeden Fall die interne Meldestelle beiziehen. Bei sexualisierten Grenzverletzungen wird die Stufe 3 ausgelassen. Sobald ein auch noch diffuser Verdacht auf sexualisierte Grenzverletzung besteht, muss zwingend die Stufe 4 gewählt werden. Damit wird das notwendige und richtige weitere Vorgehen eingeleitet.
Warum sollen leichte Grenzverletzungen überhaupt eingestuft werden?
Auch wenn Grenzverletzungen der Stufen 1 und 2 nicht meldepflichtig sind und nicht zwingend erfasst werden müssen, macht es Sinn, diese Einstufungen vorzunehmen und sie in geeigneter Form festzuhalten. Dadurch werden unerwünschtes Verhalten und leichte Grenzverletzungen bewusster wahrgenommen, es bietet sich die nützliche Gelegenheit, sich mit anderen Personen in Verantwortung und mit den Mitgliedern der Meldestelle darüber auszutauschen. Die Einstufung schärft das Bewusstsein und bildet damit Grundlage für einen professionellen Umgang miteinander.
Warum ist es wichtig, dass der Bündner Standard nicht als Sanktionsinstrument missbraucht wird?
Der Bündner Standard gibt keine Handlungsanweisungen vor, wie pädagogisch/agogisch auf ein grenzverletzendes Ereignis reagiert werden soll. Dies zu entscheiden, liegt in der fachlichen Verantwortung der Organisation. Sanktionen können den Grundgedanken des Bündner Standards (Prävention, Besprechbarkeit, Hinschauen, Handlungssicherheit, professionelle Bearbeitung von Ereignissen) innert kürzester Zeit untergraben und nachhaltig einen konstruktiven Umgang mit der sensiblen Thematik verhindern. Selbstverständlich können Konsequenzen im Sinne von Sanktionen als Folge von Fehlverhalten notwendig sein. Die ist jedoch gesondert zu entscheiden.
Warum braucht es bezüglich sexualisierten Grenzverletzungen ein gesondertes Vorgehen?
Der Bündner Standard lehnt sich beim Vorgehen bei sexualisierten Grenzverletzungen an die konzeptionellen Denk- und Vorgehensweisen von Limita an. Während allenfalls irritierendes Verhalten noch in Teams und Gruppen besprochen werden kann und soll, gehören Verhalten im Graubereich oder Verdachtsmomente undiskutierbar zur professionellen Bearbeitung je nach Organisation zum Krisenstab oder zur Leitung. Dort wird das weitere Vorgehen geprüft und eingeleitet. Eine Zurückstufung ist nach eingehender Prüfung möglich. Eine zu tiefe Einstufung könnte das richtige Vorgehen stark gefährden. Darum gilt der Grundsatz: Besprechbares und (leicht) irritierendes Verhalten entspricht der Stufe 1 oder 2, alles weitere wird in die Stufe 4 eingeordnet.
FAQ Anschlussfähigkeit
Wie sieht es mit der Anschlussfähigkeit / Kombinierbarkeit des Bündner Standards mit Pädagogischen Arbeitsweisen aus?
Der Bündner Standard allein ist kein pädagogisches und agogisches Konzept. Die in der Organisation gelebten Konzepte wie Traumapädagogik, neue Autorität, Anthroposophie, Marte Meo usw. werden durch den Bündner Standard ergänzt und gestärkt. Die pädagogische/agogische Bearbeitung eines Ereignisses liegt bei den Personen in Verantwortung. Der Bündner Standard gibt den Rahmen für die Einstufung, für die professionelle Bearbeitung und die internen Meldewege vor. Pädagogische Konzepte, wie sie z.B. in der Traumapädagogik oder der neuen Autorität zu finden sind, ergänzen den Bündner Standard.
FAQ zur Einführung
Wie kann der Bündner Standard implementiert werden?
Der Bündner Standard gibt vor, was zu einer vollständigen Implementierung in einer Organisation gehört. Die Vorgaben sind im Dokument Selbst- und Fremdüberprüfung zu finden.
Wichtig ist, dass die Organisation den Bündner Standard in bestimmten Elementen den eigenen Bedürfnissen und Vorgaben anpasst.
Die Implementierung kann durch akkreditierte „Berater:innen“ Bündner Standard (Ende Januar 2024 sind die ersten Berater:innen entsprechend ausgebildet) oder auch durch eigene interne Fachpersonen erfolgen. Der Implementierungsprozess soll so weit wie möglich unter Einbezug aller Beteiligten erfolgen.
Wie werden die Adressat:innen und deren Angehörige über den Bündner Standard informiert?
Angehörige werden vor der Aufnahme einer Adressatin oder eines Adressaten in geeigneter Form über den Bündner Standard informiert. Mögliche Gefässe sind das Aufnahmegespräche, Angehörigentreffen, Informationsabende in geeigneter Zusammensetzung (Gruppen, Klassen, Teams) usw. Informationen auf dem schriftlichen Weg sind möglich, jedoch eher weniger nachhaltig.
Adressat:innen müssen zwingend – unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes – miteinbezogen werden. Geeignete Informationsübermittlung ist denkbar mitt Aufklärung über das Konzept, (fiktiven) Fallbesprechungen, Rollenspiel, Aufarbeitungsgesprächen nach grenzverletzendem Ereignis. Die Thematik soll zudem bei passenden Momenten im Alltag spontan Platz erhalten.
Adressat:innen werden so weit möglich in die konzeptionellen Anpassungsarbeiten in der Organisation einbezogen. Beispielsweise sollen Adressat:innen ihre Einschätzung beim Anpassen des Rasters einbringen können.
Wie kann der Bündner Standard in der Organisation „lebendig“ erhalten werden?
Grundsätzlich liegt es in der Verantwortung der Leitung, den Bündner Standard in der Organisation „am Leben“ zu erhalten. Konsequentes und immer wieder begründetes Einfordern der entsprechenden Vorgaben, standardisierter Austausch zur Thematik, sorgsames und professionelles Begleiten bei Ereignissen, Vorleben aller Leitungspersonen, Repeititonsschulungen, Workshops usw. fördern die Sebstverständlichkeit in der Prävention und im Umgang nach dem Konzept des Bündner Standards.